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Buchrezension


Autor Steffen Möller
Titel Vita Classica
Bekenntnisse eines Andershörenden
Originaltitel ---
Reihe ---
März 2011
ISBN 978-3596182923
Genre Erzählungen

Inhalt Während alle anderen Supertramp oder ACDC hören, lauscht Steffen Möller schon als Jugendlicher den Klängen Brucknerscher Symphonien. Witzig und trotzig schildert er das Schicksal eines Außenseiters. Nicht die spottenden Klassenkameraden, nicht die ignoranten Eltern, ja nicht einmal die erbarmungslose Klavierlehrerin können ihn von seiner Passion abbringen. Steffen Möller hat uns mit seinem Bestseller »Viva Polonia« die kuriosen Aspekte der Deutschen und Polen nahegebracht. Hier gibt er seine intimste Seite preis, gibt launige Statements zur illustren Klassik-Szene und schenkt uns tiefe Einblicke in eine faszinierende Welt, die für viele noch zu einer echten Entdeckung werden kann.
Quelle: Fischer Taschenbuch Verlag


Einschätzung
von Hans Kuritz

Musik ist überall und omnipräsent. In unserer Zeit ist es nicht mehr möglich, sie zu ignorieren. Auch wenn wir Besuche in Geschäften und Kaufhäusern vermeiden, weil uns die permanente Dauerberieselung zum Halse raushängt, laufen wir doch spätestens auf der Straße jungen Menschen über den Weg, die sich mithilfe von Kopfhörern von der Außenwelt abgekapselt haben und taub für ihre Umwelt durch die Gegend laufen. Jenseits dieses allgegenwärtigen Musikmainstreams existiert jedoch eine kleine Randgruppe. Eine kleine geheime Gesellschaft, die nach Höherem strebt als dem Einheitsbrei, mit dem uns das Radio tagtäglich zudröhnt. Sie betreiben eine Art Freimaurerei in der Musik, sie sind Klassik-Fans.

Ihr Inneres verbergend, leben sie mit uns auf dem gleichen Planeten, trinken das gleiche Wasser, sitzen neben uns in der Straßenbahn, laufen mit uns über die Straße und arbeiten in der gleichen Firma wie wir. Und doch führen sie ein Parallelleben. Ihre Tempel sind die Klassikabteilungen in den Plattenläden dieser Welt. Fremde sind hier hochwillkommen, doch würde ja kein "normaler" Mensch jemals auf die Idee kommen, einen solchen Raum zu betreten. So sind sie dort unter sich. Missionsarbeit ist ihnen eher fremd. Seitdem Musik auf Wachsplatten oder fortgeschritteneren Medien konserviert wird und das klassische Konzertwesen zur Dienerin der versnobten Oberschicht wurde, gibt es sie. Und doch kannte sie niemand, bis jetzt. Denn nun hat sich einer von ihnen offenbart. Sein Name: Steffen Möller. Seines Zeichens: Polenliebhaber, Kabarettist, Schauspieler UND Klassik-Fan.

Der 43-Jährige - der vielen Deutschen und Polen nur als Gastarbeiter im Nachbarland oder als Kartoffelbauer Stefan Müller aus dem Fernsehen bekannt ist - legt mit "Vita Classica" ein umfassendes Bekenntnis seiner Liebe zur Klassischen Musik ab. Dabei ergründet er nicht nur, wie es ihn in dieses Genre der akustischen Ergötzung verschlagen hat. Er ergründet auch, warum keine andere Musik an die Klassische heranreicht, warum WDR3 und Dwóika besser sind als andere Radiosender und worin die Gemeinsamkeiten zwischen Klassik- und Metal-Fans bestehen - natürlich alles aus der Perspektive seiner allgemeingültigen Subjektivität. Mit Witz und einem Schuss Selbstironie lässt Steffen Möller den Leser an seinem musikalischen Leben und seiner "klassischen Paranoia" (so der Titel der polnischen Ausgabe) teilhaben.

Auf seinem Weg begegnet Möller faszinierenden Menschen; von einigen möchte man fast glauben, dass solche lustigen oder bizarren Personen gar nicht existieren können. Da gibt es eine störrische Klavierlehrerin, einen sangesfreudigen Nachbarsrentner in Warschau, hochkompetente Mitarbeiter der Klassikabteilung und deren Gegenteil. Jeder Klassik-Fan kann in diesem Buch "baden", sind doch Möller Dinge geschehen, die den eigenen Erfahrungen so ähnlich sind. Außenstehende wiederum erhalten einen exklusiven Einblick in den Alltag dieser Verrückten und damit die Chance, irgendwie Verständnis für sie aufzubringen, ja vielleicht sogar Lust zu entwickeln, sich selbst einmal mit dieser geheimnisvollen Musik zu beschäftigen, die mehr ist als Klassik-Radio. Humorlose Konzertbesucher, die das Aufsuchen öffentlicher Konzerte als notwendige Pflicht ihrer Gesellschaftsklasse betrachten, sollten dieses Buch nicht lesen. Ihnen ist sowieso nicht zu helfen!


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