Buchrezension
Autor | T. A. Wegberg |
Titel | Herzbesetzer |
Originaltitel | --- |
Reihe | --- |
VÖ | Februar 2010 |
ISBN | 978-3934442566 |
Genre | Contemporary |
Inhalt | Was, wenn du einen
Menschen getötet hast? Was, wenn dieser Mensch dein kleiner
Bruder war? Und was, wenn jemand versucht, seine Stelle einzunehmen?
Eindringlich, entwaffnend ehrlich und mit schrägem Humor
erzählt Julian von sich und Anoki, dem verlassenen
Anarchojungen, der als Pflegekind in sein Elternhaus einzieht. Der
„Ersatzbruder“ sorgt nicht nur durch leer
gefressene Kühlschränke, dubiose Einnahmequellen und
ein reichlich unkonventionelles Rechtsverständnis für
Aufregung in der Familie, sondern reißt Julian auch
unbekümmert aus dessen emotionaler Vakuumverpackung, ohne zu
ahnen, was er dadurch freisetzt …
“Herzbesetzer“ ist ein temperamentvoller Roman
über Begehren und Bedenken, Verlustangst und Verlobungsfeiern,
über familiäre Folter und geschmacklose
Grabgestaltung. Und er macht dem Leser deutlich, warum man für
einen geliebten Menschen nicht nur alles tun, sondern auch manches lassen sollte ... |
Quelle: Dead Soft Verlag |
Einschätzung von Kathi Rubel |
T. A. Wegberg
schrieb mit "Herzbesetzer" einen bewegenden Roman, über den
man nachdenken muss. Die Geschichte ist vollgestopft mit Konflikten und
Dramen, was die Leser in einen schwermütigen Trancezustand
versetzen. Die Themen gehen nahe und reiben an der
"Heile-Welt-Fassade", die wir Menschen so gerne um uns bauen. Tja, das
wirkliche Leben sieht eben anders aus! Wegberg lässt seinen
Ich-Erzähler Julian auf selbstkritische und höchst
zynische Weise von seinen Gefühlen berichten. Schon der Prolog
zeigt den Weg, den die Geschichte nehmen wird, doch erst durch Julians
drastische Schilderungen bekommt sie etwas persönlich
Ergreifendes. Es ist schwer, als Leser unabhängiger Beobachter
zu bleiben. Bald schon ist man genauso zerrissen, wie Julian es ist und
hat keine Ahnung mehr, wie es weiter gehen soll und wie es einmal
endet. Ende ist ein gutes Stichwort, denn hier lässt T. A.
Wegberg den Leser in einer Situation alleine, die zwar eine
Entscheidung signalisiert, aber alle Konsequenzen ausblendet. Julian hat einen Autounfall verschuldet. Mit dieser Tatsache könnte er wahrscheinlich noch recht gut leben, wenn bei diesem Unfall nicht sein kleiner, über alles geliebter Bruder Benny ums Leben gekommen wäre. Seit dieser Schicksalsnacht ist im Hause Trojan nichts mehr so wie früher. Die Eltern fallen in ein psychisches Loch und lassen alle Trauer und Wut an Julian, dem Brudermörder, aus. Dieser kann mit der Situation allerdings genauso wenig umgehen und benötigt seither täglich eine hohe Dosis von Beruhigungsmitteln. Er lebt jetzt in Berlin und hat sich aufgrund von Trauer und Schuldgefühlen in ein emotionales sowie gesellschaftliches Wrack verwandelt. Als seine Eltern ihm dann auch noch mitteilen, dass sie Benny durch ein Pflegekind "ersetzen" möchten, bricht für ihn der letzte Rest seiner mühsam zusammen gehaltenen Welt auseinander. Dass sich dieser anarchistische Möchtegernpunk bald einen Platz in Julians Herz erobert, ahnt dieser noch nicht. Auch von den übrigen Katastrophen, die seinem Elternhaus in Neuruppin drohen, hat er keine Ahnung. Es ist ein sehr anspruchsvoller Stoff, den T. A. Wegberg für diesen Roman gewählt hat - sowohl in der Verarbeitung beim Schreiben, als auch beim Lesen. "Herzbesetzer" erfordert ungeteilte Aufmerksamkeit und eine hundertprozentige Konzentration. Tabuthemen gibt es nicht. Julian schildert unverblümt und ohne Scheu. Ich wusste nie, ob ich ihn für seine Taten hassen oder lieben sollte. Akzeptanz, Verständnis oder Verurteilung? Schwarz oder weiß? Es gibt doch so viele Grautöne! Ich denke, genau das wollte Wegberg uns Lesern zeigen. Er sagt es nicht offen, sondern vermittelt so Vieles, indem er die Psyche seiner Leserschaft anspricht. Wegberg öffnet die Augen für Missstände und Zwänge, Vorurteile und emotionale Vergewaltigung - ganz authentisch (und dadurch sympathisch) über einen Ich-Erzähler, der ein klares Bild von sich selbst und seinen Fehlern hat, der "Farbe bekennt". Fazit: Für diesen Roman von T. A. Wegberg muss man sich Zeit nehmen - Zeit zum Fühlen, zum Denken und zum Verarbeiten. Jeder Leser wird andere Lehren aus der Geschichte ziehen, aber sie wird an niemandem spurlos vorüber gehen. |
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