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Carina Bargmann / Interview März '10

Das Fragen stellte Kathi Rubel

  • Du bereitest dich gerade auf dein Abitur vor. Wie schaffst du es, dir Zeit zum Schreiben zu nehmen? Hast du feste Schreibzeiten?
Das ist gleich eine Frage, auf die ich keine richtige Antwort habe. Irgendwie funktioniert es. Ich schreibe eigentlich immer wenn ich Zeit habe, jede freie Minute. Aber sobald ich nicht schreibe – zurzeit habe ich eine eher erfinderische Phase -, habe ich auch keine Zeit mehr fürs Schreiben. Wenn ich dann wieder schreiben will, habe ich die Zeit irgendwie. Die muss man sich dann nehmen. Feste Schreibzeiten habe ich nicht. Ich schreibe manchmal auch noch spät abends oder wenn ich sonst einen Film gucken würde. Dann fällt einiges an Freizeit flach. Also Filme gucken ist dann zum Beispiel nicht mehr drin. Ich sitze eher am PC. Ich will dann aber auch nichts anderes machen, verpasse für mich gefühlt auch gar nichts.
  • Du hast mit zehn Jahren angefangen, zu schreiben. Was war damals das Schlüsselerlebnis, das dich zum Schreiben brachte?
Also ich habe eigentlich immer gerne Geschichten erzählt. Es ging mir auch gar nicht darum, sie für die Nachwelt aufzuschreiben oder so. Es ging mir einfach nur darum, Geschichten zu erzählen. Dann bin ich an einem Abend mal nicht mit dem Erzählen fertig geworden und so musste ich die Geschichte für die Zuhörer aufschreiben, weil ich sie nicht so schnell wieder gesehen habe. Und dann habe ich ihnen die aufgeschriebene Geschichte zugeschickt. Daraus ist es dann entstanden, dass ich gedacht habe: "Schreiben ist ja ganz cool! Dann kann man das alles festhalten und auch noch mal Freunden geben, die man jetzt nicht so schnell erreicht." Dann habe ich angefangen, mehr zu schreiben – besonders auch für eine Freundin, die immer ganz viel und sehr gerne gelesen hat. Aber ich musste sie erst davon überzeugen, dass meine Sachen auch gut sind. Denn sie hatte zuerst gar keine Zeit und war ein bisschen skeptisch. Aber inzwischen reißt sie mir die Sachen auch gerne mal aus der Hand und jammert immer, wenn ich nicht vorankomme.
  • Ist diese Freundin also so etwas wie deine beste Kritikerin?
Ja, sie ist richtig kritisch, wenn’s sein muss. (Sie zitiert.) "Nein, das will ich nicht! Nein, das fand ich doof!" So eine Reaktion kommt auch manchmal, aber das ist total gut. Dann macht es ja auch Spaß, wenn man nicht das Gefühl hat, einem wird alles abgenommen. Denn wenn es immer heißt: "Toll, toll, toll!", hat man keinen Ehrgeiz mehr beim Schreiben. Dann hat man das Gefühl, es interessiert sie nicht wirklich. Aber so ist das ganz cool.
  • In deiner Vita steht, du hattest "mit fünfzehn Jahren […] bereits zwei große Fantasyromane verfasst". Hast du vor, diese beiden Romane ebenfalls zu veröffentlichen?
Von der Grundidee – ja. So wie sie jetzt aufgeschrieben sind – auf keinen Fall. Man entwickelt sich beim Schreiben ja immer weiter. Ich habe am Anfang schon immer beim nächsten Kapital gedacht: "Oh, das letzte ist aber schrecklich gewesen!". Inzwischen ist es nicht mehr ganz so schlimm. Einige Ideen werden auf jeden Fall bleiben, aber ich glaube, ich werde sie in eine andere Form umarbeiten und dann gucken, ob sie so veröffentlicht werden können. Aber mir mangelt es auch nicht an Ideen und wenn etwas Neues kommt, ist das ja auch nicht das Schlechteste.
  • Was gefällt dir am besten am Schreiben phantastischer Romane? Wieso hast du deine Geschichte in diesem Genre angesiedelt? Liest du selbst gerne Fantasy-Romane?
Wenn man in mein Regal guckt, sieht es sehr nach Fantasy aus, muss ich zugeben. Man muss schon ein bisschen suchen, bis man die andere Lektüre findet, aber ich habe auch einiges Historisches und Krimis. Das lese ich auch sehr gerne und besonders Historisches ist sehr reizvoll. Ich fände es auch sehr interessant, Kultur und Geschichtliches in Form von Romanen zu vermitteln und etwas in der Richtung zu schreiben. Wenn man aber einen wirklich korrekten Roman schreiben will, der in der Steinzeit spielt, muss der natürlich sehr, sehr gut recherchiert sein. Dafür fehlen mir zurzeit Fachwissen und Möglichkeit, es aufzubessern. Es würde mich aber auf jeden Fall interessieren, so etwas später einmal zu machen. An Fantasy ist einfach toll, dass man sehr viel Freiraum hat. Man kann Dinge auch recht einfach mit Magie erklären. Das muss natürlich noch logisch sein, aber man kann viel erfinden und hat dadurch ziemlich viele Möglichkeiten. Man kann auch Probleme wie Wassermangel auf ganz andere Art aufzeigen und hat dann eine Lösung parat, die technisch natürlich überhaupt nicht umsetzbar ist. Aber es ist dann immerhin ein Aufzeigen der Problematik Wassermangel. Und das macht Spaß. Wobei ich das mit dem Wassermangel gar nicht mit Absicht gemacht habe. Das habe ich erst realisiert, als ich mal eine Interviewfrage danach bekam.
  • Also möchtest du mit deinen Romanen auch Kritik üben?
Ich glaube, das ergibt sich eher aus dem Zusammenhang, weil ich mich selbst auch gerne mit kritischen Fragen auseinander setze. Das Moralproblem hatte ich bewusst reingesetzt. Dass Menschen andere Menschen – in diesem Fall Kinder – einfach vor die Stadt setzen, um ihren eigenen Lebensstandard – hier geht es ja noch nicht um Leben und Tod – zu erhalten. Darauf wollte ich bewusst aufmerksam machen.
  • Woher nimmst du die Ideen für diese phantastischen Welten, Wesen und Fähigkeiten?
Aus allem Möglichen eigentlich. Ich habe letztens "Avatar" gesehen und da kam mir eine ganz coole Idee; wieder für eine Wüstengeschichte. Meine Ideen haben nicht direkt mit dem zu tun, was ich gerade tue, aber ich lasse mich manchmal von Filmen, Büchern oder persönlichen Erlebnissen inspirieren. Ich nehme immer ein kleines bisschen mit.
  • Würdest du gerne selbst in der Fantasiewelt aus deinem Roman "Sayuri" leben?
Nein, eigentlich nicht. Sie ist sehr interessant, wobei sich auch noch viele Fragen stellen. Am Interessantesten fände ich das Erforschen der restlichen Welt. Das wäre so ein Grund, dort zu leben – weil noch nicht alles entdeckt ist. Aber ansonsten erfinde ich lieber noch andere Welten und schau dann, in welcher ich gerne mal leben würde.
  • Du setzt als Schlusspunkt des Romans kein vollkommenes Happy End. Warum? Findest du, dass Glück nicht ohne trübendes Leid existieren kann?
Es hätte nicht gepasst. Marje hätte nicht in diese "neue Welt" gepasst. Sie hat so viel dafür gekämpft, dass sich etwas ändert, so dass sie eher in den Kampf und nicht in die Gestaltung dieser "neuen Welt" hinein gehört. Die Rolle der Herrscherin neben Kiyoshi hätte nicht zu ihr gepasst, weil sie immer mit den Straßenkindern verbunden gewesen wäre. Für mich war ihre Geschichte mit der Rebellion abgeschlossen. Außerdem hätte dieses Signal "riede, Freude, Eierkuchen" auch vermittelt, dass so etwas in unserer Welt ebenfalls möglich wäre. Und das wollte ich so nicht aufzeigen, weil es für mich immer einen gewissen Ausgleich zwischen Glück und Pech gibt.
  • Ist eine Fortsetzung von "Sayuri" geplant? Vielleicht über die Shaouran, da das Augenmerk in diesem Roman auf den Menschen und ihrer Quelle lag?
Nein – aus dem einfachen Grund, dass die Shaouran sehr geheimnisvoll und zurückhaltend auftreten, aber auch nicht so genau definiert werden sollten. Ich möchte das nicht in einem zweiten Buch "nachholen" und damit diese geheimnisvolle Seite zerstören. Ich schreibe dann lieber etwas Neues und zu den Shaouran kann sich jeder Leser selbst eine Geschichte ausdenken.
  • Wie würdest du die Figur Sayuri charakterisieren?
Sie ist eigentlich eine Mischung aus Haupt- und Nebenfigur. Durch ihre Rolle ist sie sehr wichtig und kann eigentlich nicht als Nebenfigur dargestellt werden. Aber sie ist vom Typ her ein sehr blasser, zurückhaltender Charakter, der sich gar nicht in den Vordergrund drängen will und da auch nicht hingehört. Deshalb handelt die Geschichte auch wesentlich mehr von Marje und Kiyoshi. Aber ich fand es interessant, Sayuri trotzdem als Schlüsselfigur darzustellen, aber nicht als "Heldin" wie Marje, denn das hätte nicht zu ihr gepasst.
  • Bist du selbst auch eher zurückhaltend?
Ich glaube, ich bin eher wie Marje, eher explosiv und würde mich zum Beispiel auch über Kiyoshi aufregen. Wobei ich mir auch immer Mühe gebe, eine Situation objektiv zu beurteilen, aber ich wäre emotional trotzdem eher wie Marje.
  • Du hast weder eine Widmung, noch Danksagungen in deinem Buch veröffentlicht. Gibt es dafür einen Grund?
Ich glaube, ich habe das einfach verpasst. Ich war am Überlegen, ob der Verlag mich noch mal fragt oder ob ich mich an ihn wenden muss und habe dann erstmal gar nichts gemacht. Dann war das Buch plötzlich fertig. Und das war mir dann irgendwie unangenehm. Auf jeden Fall werde ich das bei dem nächsten Buch nachholen, weil ich wirklich vielen Leuten Danke sagen möchte. Es tut mir auch dolle leid, deshalb habe ich ganz Vielen aus meiner Umgebung eine ganz lange persönliche Widmung ins Buch geschrieben – manchmal sogar zwei Seiten lang.
  • Du sprichst von einem nächsten Buch. In welche Richtung soll es denn diesmal gehen?
Also, es bleibt auf jeden Fall ein Fantasy-Buch, allerdings etwas näher an der Realität. Ich weiß nicht, in wie weit "City of Bones" bekannt ist, aber es ist das einzige Buch, das mir so in Verbindung mit meinen neuen Ideen einfallt. Ich werde es nicht kopieren – Das liegt mir fern! -, aber "City of Bones" hat eine weitere Welt, ein weiteres Land, in dem auch der dritte Teil spielt. In dieser Art soll dann auch mein nächstes Buch gestaltet sein, so dass ich also unsere Welt erweitere.