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Buchrezension


Autor Else Buschheuer
Titel Masserberg
Originaltitel ---
Reihe ---
Märt 2010
ISBN 978-3746625874
Genre Belletristik

Inhalt Mel ist eine unbotmäßige 17-jährige: halb Punk, halb Verführerin. Dass sie sehr krank ist und vielleicht blind wird, macht sie nur noch trotziger, noch hungriger aufs Leben. In einer Augenheilstätte im thüringischen Masserberg, wo sie zahllosen Torturen ausgesetzt ist, begegnet sie einem kubanischen Arzt und verliebt sich in ihn. Sie sind ein ungleiches Paar: Lolita und IM Skalpell. Und sie sind in Gefahr.
Quelle: Aufbau Verlag


Einschätzung
von Kathi Rubel

Melanie Tauber, 17 Jahre alt, Iridozyklitis, 1984 stationär in Masserberg.
Das ist Mel, die das ihr verbleibende Leben mit Sehkraft in vollen Zügen genießen will. Die Bedeutung von Liebe kennt sie nicht, Spaß zählt. Zynismus und Schauspielerei sind gute Tarnmäntel. Nur keine wahren Emotionen zeigen, sondern lieber auf den Gefühlen anderer herumtrampeln - das ist ihre Devise.

Auch das ist Mel: Jeder reißt sich darum, mit ihr befreundet zu sein, von ihr geliebt zu werden. Sie ist populär, wird bewundert - aber auch teils verachtet wegen ihrer Sperrigkeit. Mel lässt sich nichts einfach so gefallen. Sie hinterfragt, hat für alles und jeden die passenden bissigen Worte parat. Ihre Fastblindheit, die ständigen Schmerzen und die Nebenwirkungen der Medikamente machen sie nicht zu einem "Häufchen Elend", sondern eher zu einer frühreifen jungen Frau mit Prinzipien. Diese Prinzipien bröckeln jedoch, als sie Sanchez, den neuen Arzt in Masserberg, kennen und lieben lernt. Liebe, eine Regung, die sie bisher verächtlich bei anderen belächelte. Auch er erlebt mit Mel eine für ihn ganz neue Stufe der Verliebtheit. Ein verworrenes Beziehungsknäuel entsteht.

Mein erster Else Buschheuer entführte mich in eine ganz neue Welt der Literatur. Unverblümt, direkt und unkonventionell erzählt sie die Geschichte von Mel und Sanchez. Eine Geschichte, die kein Happy End hat. Oder vielleicht doch? Bei Else Buschheuer ist Vieles nicht, wie es auf den ersten Blick scheint. Hinter dieser recht faktischen Schilderung verbergen sich viele dramatisch tiefgehende Ereignisse und Emotionen. In jeder sarkastischen Bemerkung steckt ein Stück Wahrheit. Dieser Roman weist schon fast melodramatische Züge auf – eine amüsant verpackte Tragödie also.

Amüsant sind nicht nur Mels Störrigkeit und ihre spitze Wortgewandtheit, sondern auch die im Dialekt geschriebenen Dialoge. Ich finde es schon schwer genug, gesprochenes Sächsisch zu verstehen, aber geschriebenes? Haben Sie schon einmal Sächsisch gelesen? Nein? Dann sollten Sie sich auf jeden Fall "Masserberg" vornehmen. Manchmal vergehen einige Augenblicke verständnislosen Starrens, ehe sich ein Wort entziffern lässt. Aber der "Aha-Effek" danach sorgt garantiert für ein Grinsen. Ich möchte jedoch sofort wieder die aufkommende Angst nehmen: Natürlich ist nicht der gesamte Roman auf Sächsisch geschrieben. Es sind lediglich einige wenige Dialoge, in denen dieser Dialekt vorkommt.

Mels Tapferkeit in Bezug auf ihre Krankheit - die noch aufgewertet wird, weil Mel schon in jungen Jahren ihre Familie verlor - ruft Bewunderung hervor. Wer könnte davon nicht beeindruckt sein?! Auch ihre Lebenslust, der Wunsch, alles voll auszukosten, ist ein großes Vorbild für jeden, der jämmerlich an einem kleinen "Wehwehchen" verzweifelt. Die Schilderungen, wie sie ihre Kreativität auslebt, nicht mutlos wird und sich endlich auf die Liebe einlässt, rühren sehr. Kaltschnäuzig, aber auch auf die sentimentale Ader zielend, erzählt Else Buschheuer von Vertrauen und Verrat, Gesundheit und Krankheit von Körper, Geist und Seele. Sie kritisiert auch, wählt bewusst Ort und Zeit, um zurück in die DDR zu reisen. Sie beschreitet diesen Weg, um eine besondere Umgebung, eine besondere Stimmung zu schaffen. Das lässt diesen Roman erst zu dem werden, was er ist.

Fazit:
Else Buschheuer macht ihre Leser zu einem lebendigen Spiegel der vielfältigsten Emotionen, die ihr Roman reflektiert. Wie von Geisterhand zeigen sie sich auf den Gesichtern - Gefühle wie Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Entschlossenheit, Liebe, Verachtung, Schuld, Einsamkeit und viele mehr. Buschheuer übermittelt diese nicht "blanko", sondern verpackt alles sorgfältig in Zynismus - was sie allerdings nicht daran hindert, sehr unverblümt und freizügig zu berichten. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber für mich durchaus ein sehr guter Roman.


... unsere SatzSchätze aus dem Roman findet ihr in der Rubrik Rausgepickt!