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Julia Dibbern / Interview Feb '17


Was wir schon immer über Julia Dibbern wissen wollten ...
Das Interview führte Kathi Rubel

  • Liebe Julia, ich bin neugierig: Wie bist du vom Architektur-Studium zum Journalismus mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Familie & Bildung gekommen?
Wie viele Stunden hast du Zeit? :-) Ich versuche, das so kurz wie möglich zu halten. Ich habe immer gern geschrieben, und das war im Studium nicht anders. Da waren auch die Theoriearbeiten das, was ich am besten konnte. Ich habe einfach eine Weile gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich keine besonders begnadete Entwerferin bin und zu den technischeren Architekturaufgaben wenig Lust habe. Ich mag den Beruf heute noch, ich genieße schöne Gebäude, und ich liebe den Geruch von Baustellen! Aber das Schreiben liebe ich mehr.

  • Und damit nicht genug. Wie kommt es, dass du nun Jugendromane schreibst?
Jugendromane lese ich selbst auch sehr gern. Vor allem für die Zielgruppe "Junge Erwachsene". Das ist so eine wahnsinnig intensive Zeit im Leben mit allem, was sich da zurechtruckelt. Aber vielleicht schreibe ich auch irgendwann Romane für Erwachsene, das weiß ich noch nicht.

  • Von 2004 bis 2012 hast du den Anahita-Verlag geleitet. Weshalb hast du damit aufgehört?
Schlicht und ergreifend: Weil ich nicht verwalten kann. Null. Gar nicht. Ich habe dann meine Bücher an den Tologo-Verlag abgegeben, der ein ähnliches Sachbuchprogramm und damals auch noch eine ähnliche "Größe" hatte, und alle waren glücklich.

  • Nun interessiert mich natürlich brennend, wie du zu den Ink Rebels gekommen bist. Erzähl mal!
Wir haben als Facebook-Chat angefangen, bei dem wir uns gegenseitig zum Schreiben motiviert haben. Ich hab schon eine Seite – wer ist schneller? Ich hab zwei!

Da wurde dann schnell vom Gefühl her ein "richtiges" Büro draus. Wir kommen morgens rein, eine macht das Licht an und setzt Wasser für Kaffee und Tee auf ... (In Wirklichkeit tut das natürlich jede für sich, aber es fühlt sich tatsächlich an, als wäre dieser virtuelle Raum in unseren Köpfen ein reales Büro.) Und irgendwann hatte jemand – ich glaube, es war Daniela – die Idee, dass wir, während wir für andere Titel auf Verträge warten, nicht sinnlos Däumchen drehen müssen. Wir sind - Zufall oder Schicksal? - das perfekte Team für eine Redaktion, wie wir sie uns vorstellten, denn wir sind eine Coverdesignerin, eine Texterin und drei Lektorinnen. Außerdem hatten wir alle große Lust, etwas Neues auszuprobieren, und so wurde aus "Wir müssten" quasi in Minuten ein "Wir machen das jetzt!".

  • Wie läuft das bei euch im Autorenbüro? Inwiefern unterscheiden sich die Abläufe von denen im Verlag?
Ehrlich, ich habe nicht so viel Einblick in die internen Verlagsabläufe großer Häuser – dort kennen zum Teil nicht mal die Menschen, die dort arbeiten, jeden Schritt. Aber das Prinzip ist bei uns sicherlich ähnlich. Wir haben Redaktionsrunden, in denen wir zum Beispiel besprechen, welcher Titel am besten wann kommt, wir haben Zeitpläne, wann welcher Text ins Lektorat und Korrektorat muss, wann die Cover stehen müssen usw.

Die beiden wesentlichen Unterschiede zum Veröffentlichen im Verlag sind auf der Minusseite, dass wir keine große Werbemaschine haben, die wir anwerfen können, und auf der Plusseite, dass wir die Bücher bis ins letzte Detail so machen können, wie wir sie haben wollen. Ohne Rücksicht auf mögliche Trends und ohne Schönfärben. Wir können so sehr ehrliche Bücher veröffentlichen. Ich weiß nicht, ob ein Buch wie "Wenn ich dich nicht erfunden hätte" in einem größeren Verlag eine Chance gehabt hätte.

  • Ich habe mich ein wenig auf dem YouTube-Kanal des artgerecht-Projektes umgesehen, das du gemeinsam mit Nicola Schmidt ins Leben gerufen hast. Dort gibst du im März 2016 bekannt, dass du dich vom Projekt zurückziehen wirst, um Jugendromane zu schreiben. (Hier geht's zum Video!) Wie fühlt es sich für dich an, dein "Baby" aus der Hand zu geben?
Ich bin absolut fein damit. Nicola macht fantastische Arbeit und hat ein großes Talent, sich tolle Leute ins Boot zu holen. Das läuft schon.

  • Nun zu deinem ersten Roman: Wie bist du auf die Idee gekommen, "Wenn ich dich nicht erfunden hätte" zu schreiben?
Mich hat schon im Rahmen der Recherche für meine Sachbücher (natürlich, darum ging es ja immer) interessiert, welche Faktoren Kinder und Jugendliche stabil machen und welche dazu führen können, dass sie am Leben scheitern. Das in einen Roman zu gießen, war dann einfach der nächste Schritt.

  • Hattest du reale Vorbilder für die Figuren in der Geschichte?
Jein. Etwas von einem selbst fließt natürlich in jedes Buch ein. Ich kenne tatsächlich eine ganze Reihe Mädchen wie Leo, und natürlich die entsprechenden Lorisse dazu. Die Geschlechteraufteilung gibt es auch andersherum, klar, allerdings seltener.

  • In der Leserunde auf LovelyBooks hat "Wenn ich dich nicht erfunden hätte" ja ziemlich kontroverse Meinungen und Empfindungen bei den Lesern ausgelöst. Hattest du damit gerechnet, dass die Geschichte als "Anleitung zum Unsinn machen" aufgefasst werden könnte? Wie gehst du mit solchen Äußerungen um?
Die entsprechende Leserin fand das am Schluss des Buches ja auch nicht mehr, sondern war sehr angetan. Ich glaube – ich hoffe – dass letztlich klar ist, dass Leos Geschichte das genaue Gegenteil einer Anleitung ist. Gefühle auszulösen – auch kontroverse – war ja durchaus mein Ziel.

  • Du bist schon fleißig am Schreiben eines zweiten Jugendromans, habe ich gehört. Verrätst du uns, worum es geht?
Sehr gern. Es heißt "Wolkendämmerung" und kommt im Frühsommer bei Ink Rebels. Die Geschichte spielt in Südkalifornien, und mein Protagonist ist in dem Fall ein Junge: Nicholas ist 17, kann begnadet fotografieren und wird deswegen angeheuert, auf einem Forschungsschiff für eine Klimaschutzmission Bilder zu machen. Es wird unangenehm für ihn, als er dabei ein paar Sachen erfährt, die nicht für ihn bestimmt waren. So ganz grob. :-) Ich habe das Buch vor zwei Jahren geschrieben und überarbeite es jetzt "nur noch". Ganz klar bin ich mir noch nicht darüber, inwieweit ich die Geschichte daran anpassen muss, dass es in Amerika offiziell keinen Klimawandel mehr gibt.

  • Dazu sage ich jetzt lieber nichts ;) Also zur nächsten Frage: Wirst du nebenher auch weiterhin Elternratgeber verfassen? Wenn ja, gibt es konkrete Pläne?
Ratgeber weniger, aber Sachbücher. Im Augenblick schreibe ich an einem, das in meinem Kopf den Arbeitstitel "Die Tyrannenlüge" hat und in dem es darum geht, dass "die Jugend von heute" in Wirklichkeit überhaupt gar nicht immer schrecklicher wird, sondern dass das Problem an der Stelle genau darin besteht, dass den Eltern/der Gesellschaft das gern eingeredet wird. Wie es dann letztendlich heißen wird, legt der Verlag fest.

  • Kannst du für uns noch einmal zusammenfassen, welche Werte du den Eltern mit deinen Büchern auf den Weg geben willst?
Das ist schnell gesagt: Trust the baby. Tut euer Bestes, guckt genau hin und vertraut euch, vertraut euren Kindern.

  • Worauf legst du im privaten Umfeld und in deiner eigenen Familie besonderen Wert?
Ganz knapp zusammengefasst: dass wir so ehrlich, liebevoll und respektvoll miteinander umgehen, wie es uns möglich ist. Dass wir so gut es geht die Bedürfnisse aller achten. Dass wir einander vertrauen und dass wir Spaß miteinander und mit dem Leben haben.

  • Bei einem Blick auf deine vielseitige Vita kann ich mir kaum vorstellen, dass du jetzt endgültig "angekommen" bist. Wie siehst du das?
Mal sehen. Das sage ich dir in fünf Jahren. Im Moment fühlt sich die Kombination aus Sachbüchern, Romanen und ein bisschen Grafik für die Ink Rebels gut und angekommen an.

  • Hast du bei all deinem Engagement und dem Schreiben eigentlich noch Zeit, selbst ein Buch zu lesen? Wenn ja, mit welchem Titel hast du dich zuletzt beschäftigt?
Selten. Wenn, dann nebenher, während die Kartoffeln kochen, oder nachts vor dem Schlafengehen. Außer natürlich Sachbücher für Recherchen, das ist Arbeitszeit. Der letzte Roman, den ich wirklich mit Muße gelesen habe, war auch ein Ink-Rebels-Buch: Franzis "Und irgendwo ich". (Ich könnte jetzt behaupten, ich musste das ja tun, um das Cover machen zu können, aber das Buch ist einfach auch fantastisch gut.)

  • Verrätst du uns, was deine Vorlieben in Bezug auf Bücher und Filme sind?
Quer durch die Bank, solange es nicht sinnlos blutig und grausam oder sinnlos seicht und vorhersehbar ist. Auf Gemetzel um des Gemetzels Willen steh ich überhaupt nicht, von Krimis träume ich schlecht und das Traumschiff langweilt mich. Aber sonst …

  • Welche Merkmale machen für dich ein "gutes Buch" aus und warum?
Wenn ein Buch handwerklich in Ordnung ist und gut unterhält oder berührt oder informiert oder alles zusammen, ist es für mich ein gutes Buch. Das muss nicht hochliterarisch sein. Kann, aber muss nicht. Wenn ich auf der dritten Seite weiß, was passiert, oder der Stil sich liest wie ein Aufsatz aus der neunten Klasse, dann tue ich mich schwer damit.

  • Wie stehst du als Journalistin für Nachhaltigkeit eigentlich zu Konsum-Marktriesen wie Amazon?
Zwischen uns besteht eine gesunde Hassliebe. Ich kaufe da nichts außer englischen Büchern oder Filmen, die ich hier nicht anders bekomme, aber ich nehme unendlich dankbar die Möglichkeiten wahr, die Amazon Autoren bietet. Ohne Amazon hätten wir die Ink Rebels nicht machen können, das muss man ganz klar so sagen.

  • Zum Schluss noch drei Entweder-Oder-Fragen, dann soll es für heute reichen ;) Verlag oder Selfpublishing?
Beides

  • Print-Exemplar oder eBook?
Beides, eher Print

  • Action oder Romantik?
Beides



Ich danke dir von Herzen für dieses Interview
und freue mich schon darauf, mehr von dir zu lesen!