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Amelia Reyns aka Helen B. Kraft / Interview Feb '17


Nachdem uns "Ain't all Silver: Ketten aus Gold" so gut gefallen hat, wollten wir unbedingt mehr über die Autorin, ihre Veröffentlichungen sowie ihre Erfahrungen mit Selfpublishing erfahren ...

Das Interview führte Kathi Rubel

  • Liebe Amelia, herzlich willkommen! Es freut mich sehr - und unsere Leser/innen natürlich auch ;) -, dass du uns hier einige Fragen über dich und deine Bücher beantworten wirst. Wollen wir gleich beginnen?
Sehr gern, immer raus mit den Fragen, ich beiße nicht. Na ja, nicht immer. :D

Ich wollte unbedingt eine Fortsetzung schreiben, aber die hätte nur innerhalb einer gewissen Zeitspanne nach Teil 1 Sinn gemacht, und da der Titel ursprünglich als Stand-alone geplant war, gab es leider im Folgehalbjahr keinen freien Veröffentlichungsplatz. Also haben Romance Edition und ich zusammen entschieden, dass eine Selbstveröffentlichung als einzige Möglichkeit in Frage kommt.

  • Wie hat es sich für dich angefühlt, bei diesem Roman alles selbst in der Hand zu haben?
Es war ganz schön aufregend. Glücklicherweise hatte ich eine liebe Autorenkollegin, die mich an die Hand genommen, mir Tipps und Tricks verraten und gut zugeredet hat. Ich weiß gar nicht, wie oft ich sie genervt habe, aber sie war sehr geduldig. Trotzdem war ich am Tag der Veröffentlichung mit den Nerven runter und hatte schreckliche Angst, dass niemand das Buch mögen würde. Zum Glück verflog das ganz schnell wieder.

  • Gab es Aufgaben und Situationen im Entwicklungs- oder Veröffentlichungsprozess, die dir nicht so liegen und die du vielleicht doch lieber in fähige Verlagshände gelegt hättest?
Ich bin ein Werbemuffel. Da würde ich am liebsten nur das Nötigste machen und den Rest komplett abgeben. Aber ganz ohne geht es nicht – selbst als Verlagsautor nicht. Ich denke, beim nächsten Buch werde ich insgesamt mehr tun (müssen). Außerdem wäre es mir lieber gewesen, gewisse Recherchen nicht selbst durchführen zu müssen. Der Kontakt nach Kanada erwies sich anfangs als etwas schwierig, weil man sehr lange hingehalten wird und man nicht weiterkommt, wenn wichtige Informationen fehlen. Hier hätte ein Verlag vielleicht auch etwas mehr Druck machen können.

  • Was hat dir am meisten Spaß gemacht und warum?
Wenn ich jetzt sage, das Schreiben, wäre das ein wenig einfach, oder? Tatsächlich war es der Kontakt zu dem kanadischen Offizier, der, nachdem ich ihn endlich erreicht hatte, alle meine Fragen sehr geduldig beantwortet hat und sogar abstruse Szenarien mit mir durchgegangen ist, damit ich nicht allzu viele Fehler einbaue.

  • Wirst du zukünftig weitere Romane selbst herausgeben?
Um ehrlich zu sein, ich habe Blut geleckt. Ich will es auf jeden Fall noch mit einem weiteren Roman versuchen. Diesmal ein Stand-alone, um herauszufinden, ob es noch besser geht, wenn nicht das Label "Fortsetzung" über der Veröffentlichung schwebt.

  • Schauen wir doch gleich einmal auf die andere Seite der Medaille: Werden weiterhin Verlags-Titel von dir erscheinen?
Unter meinem Pseudonym Helen B. Kraft auf jeden Fall. Hier stehen noch zwei Titel der Bestien-Reihe aus, die in 2017 erscheinen werden. Danach werde ich mal sehen, wie es weitergeht. Ich schätze allerdings, dass Amelia vorerst ohne Verlag auskommen wird.

  • Vielleicht kannst du uns einen kleinen Einblick in dein nächstes Projekt geben. Woran schreibst du gerade?
Erinnerst du dich an Dex, der einen Auftritt in "Ketten aus Gold" hatte? Er bekommt einen eigenen Roman, unabhängig vom Goldschürfen und "Ain't all Silver". Und ich kann versprechen, ich mache es ihm ebenso wenig einfach wie Darren, nur, dass er den Vorteil bekommt, dass es immer genug Süßigkeiten gegen den Frust geben wird. Aber keine Sorge, er behält sein athletisches Aussehen. ;)

  • Apropos "du" - in der Literaturwelt bist du ja nicht nur als Amelia Reyns, sondern auch unter dem Pseudonym Helen B. Kraft unterwegs. Weshalb diese beiden Namen und wie sind sie entstanden?
Helen B. Kraft setzt sich aus Namen zusammen, die mir viel bedeuten. So hieß z. B. meine Oma Helene. Sie war eine starke, selbstbewusste Frau, die mich sehr geprägt hat, und als ich veröffentlichen wollte, war schnell klar, mein echter Name passt nicht ins Fantasy-Genre und Helen war geboren. Amelia dagegen sollte sich vollständig von Helen abgrenzen, und da ich wiederum nicht meinen Klarnamen verwenden wollte, habe ich mit verschiedenen Variationen jongliert und bin bei Reyns gelandet.

  • Als Helen hast du dich dem Phantastischen verschrieben und scheinst ja eine Vorliebe für Monster, Bestien und die Himmel-Hölle-Thematik zu haben. Wie kam es dazu? Was hat deine Leidenschaft für dieses Genre geweckt?
Meine ältere Schwester ist schuld. *lach* Schon von frühester Jugend an, hat meine Schwester mir Märchen erzählt oder mir Romane ausgeliehen, sobald ich älter war und die meisten davon waren im Fantasy-Bereich angesiedelt (die Romantik kam dann zwar auch irgendwann von ihr, aber später). Magie, Monster, Dämonen, alles war vertreten. Ich mochte es, mich in Welten zu versetzen, die so völlig anders waren, als die Tristesse der Realität. Irgendwann sah ich dann einen Trailer zu einem Film, indem ein Erzengel vom Himmel steigt und die zweite Wiedergeburt Jesu verhindern sollte. Das war alles so schlecht erzählt, dass ich dachte: Mensch, das kannst du besser. So sind Shatan und Co. entstanden. Später war ich ganz fasziniert von Nalini Singhs oder Pamela Palmers Gestaltwandlern, aber ich fand sie immer ein wenig blass und zu zahm, obwohl sie durchaus gefährlich rüberkamen. Hier dachte ich, besser kannst du es vielleicht nicht, aber du bekommst deine Gestaltwandler bestimmt noch ein bisschen krasser hin. Im Grunde ist es fast immer dasselbe bei mir, ich versuche, einer Idee ein anderes Gesicht zu verleihen, ohne dass am Ende eine Fanfiction rauskommt.

  • Dann sag deiner Schwester Danke von mir! ;) Aber lass uns noch einmal zurückkommen auf die Goldschürfer. Wie darf ich mir das vorstellen? Du hast die DMAX-Doku zum Thema gesehen und es hat "klick" gemacht? Warum gerade Gold?
Mehr oder weniger, ja. Eigentlich war es so, dass mein Mann und ich die Serie schon sehr lange verfolgt haben. Ich fand es immer sehr amüsant zu sehen, wie erwachsene Männer wie kleine Kinder im Dreck buddeln und dann ganz erstaunt sind, wenn ihre Maschinen, mangels Wartung, kaputt gehen. Gleichzeitig gab es immer diese Vorfreude, ob sie Gold finden oder nicht. Schon da sagte ich zu meinem Mann, dass man in einer Goldmine bestimmt ganz tolle Storys ansiedeln könnte, weil, seien wir mal ehrlich, es ist alles da, was es für einen guten Roman braucht: Männer (okay, in der Fiktion natürlich deutlich ansehnlicher als im Original), Reichtum, Abenteuer und ein Hauch von Gefahr.
Als meine Verlegerin und ich dann nach einer Veranstaltung beim Abendessen zusammensaßen, fragte sie nach neuen Ideen und da fragte ich, was sie von Goldschürfern halten würde, solange sie keine Rauschebärte und Bierbäuche hätten. Sie hat gelacht und mir das Daumen-hoch-Zeichen gegeben. Damit war im Grunde schon alles geklärt.

  • Ich habe auch gelesen, dass du ausgiebig recherchiert hast, um die Reihe so authentisch wie möglich zu gestalten - mit Ausnahme des Sheriffs natürlich ;) Welche Quellen hast du denn genutzt?
Neben dem Internet und der Serie, die in der ersten Staffel tatsächlich sehr technisch ist und die Gerätschaften fast bis ins kleinste Detail erklärt, habe ich mich mit der kanadischen Botschaft in Verbindung gesetzt und Fragen gestellt. Und Fragen gestellt und … Fragen gestellt. Manch eine Antwort hat entsprechend lange gedauert, aber ich bekam, was ich wollte, sogar aus erster Hand. Außerdem hatte ich das Glück, dass gleich zwei befreundete Autorinnen in genau der Region Urlaub gemacht hatten, als der erste "Ain't all Silver" entstand. Von ihnen bekam ich Berichte, Fotos und Hinweise, die mir sehr weitergeholfen haben.

  • Warst du selbst schon einmal in Alaska unterwegs oder hast vielleicht irgendwo anders eine Goldmine besucht?
Leider nein, aber wir sparen bereits, um uns selbst mal am Klondike oder Yukon umzusehen. Momentan ist das leider nicht drin.

  • Würde dich ein Leben als Schürferin reizen oder siehst du den Claim eher wie Nicci - als "hinterwäldlerisches Kaff voller Idioten"? ;)
Also das ist eine sehr gute Frage. Während meiner Recherchen habe ich mehr als einmal daran gedacht, das Schreiben aufzugeben und lieber schürfen zu gehen. Auch, weil ich nach 32 Stunden intensiver Recherche dachte: Jetzt weißt du eh alles, da kannst du nur mit Millionen heimkommen. Tatsächlich wäre mir die Arbeit aber zu anstrengend und vor allem zu unsicher. Anders als in meinen Romanen findet man eben nicht immer genug Gold, um davon zu leben. Außerdem könnte ich – glaube ich – den Gedanken an die Umwelt nicht weit genug von mir wegschieben. Wer mal ein Schürfgebiet angesehen hat, weiß, was ich meine. Und was das Kaff voller Idioten angeht, tja, vermutlich würde ich nach einer Woche genau das denken und ganz schnell wieder abhauen.

  • Wenn wir schon einmal bei den Charakteren sind: Wie viel Kirby steckt in dir?
Kirby? Kein bisschen. Ich bin mehr so der Jordan-Typ, bis auf das Koch-Problem.

  • Du thematisierst ja ziemlich eindrücklich, wie schief manche Ehen gehen können und wie oft diese Streitigkeiten dann auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Gab es einen Grund für diesen Schwerpunkt?
Nein. Es passte einfach. Ich wusste beim Plotten bereits, dass Kirby ein Problem haben muss, gegen das Darren nicht so einfach mit Charme und perfektem Body ankommen kann. Zudem brauchte es eine Begründung, warum eine offensichtlich gebildete und talentierte Frau an den Po der Welt zieht, um für andere zu kochen. Klar, ich hätte sie zu einer Aussteigerin machen können, aber damit hätte ich mir die Grundlage für den Konflikt zwischen ihr und Darren entzogen, wobei das sicher auch seinen Reiz gehabt hätte. Aber wenn man darüber nachdenkt, würde eine Aussteigerin bestimmt nirgends als Köchin anfangen.

  • Du selbst bist glücklich verheiratet, nicht wahr? Was hält dein Mann von deiner Leidenschaft am Schreiben?
Er ist mein geliebter Sklaventreiber. :D Er ermuntert mich. Wenn ich mal zwei Tage am Stück nicht am PC oder Laptop sitze, wird er richtig nervös und fragt andauernd, wann ich mal wieder schreibe. Außerdem freut er sich immer wieder, wenn wir unser kleines Ritual begehen. Er darf nämlich immer ein Wort im Skript schreiben, das es dann bis in die finale Fassung schafft.

  • Bleibt für ihn denn überhaupt noch Zeit neben deiner hauptberuflichen Arbeit und dem Nebenjob als Autorin?
Ich nehme mir die Zeit. Dank langer Zugfahrten morgens und abends kann ich in dieser Zeit recherchieren, korrigieren oder vorarbeiten. Die Wochenenden gehören uns. Es ist ganz selten, außer im NaNoWriMo* oder wenn ich einen Abgabetermin habe, dass ich dann mal schreibe. Es bleibt dennoch eine Gradwanderung, die wir aber bisher gut gemeistert haben.

  • Nimmst du dir selbst manchmal noch eine Auszeit und liest ein Buch? Wenn ja, womit hast du dich zuletzt beschäftigt?
Aber klar, jedes Mal, wenn ich … nein, das verrate ich jetzt nicht. Ich lese viel. Nicht mehr so viel wie vor der Zeit meiner Veröffentlichungen, aber es muss trotzdem sein, auch um sich abzulenken. Sonst bin ich immer so intensiv bei meinen Figuren, da würde mir das Eintauchen in andere Welten zu sehr fehlen. Der letzte Roman, den ich gelesen habe, nein verschlungen trifft es wohl eher, war Bobbie Kitts "Palace of Pleasure: Club der Milliardäre", der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Ansonsten mache ich gerade die Beta-Lektorate für zwei befreundete Autoren, die nicht eilig sind und sich sehr gut eignen, um den Kopf frei zu bekommen. Allerdings in Genres, die meine Schreibe im Augenblick nicht tangieren, weil mich das sonst blockieren würde.

  • Muss ein "gutes Buch" für dich ein Happy End haben?
Nein. Ich mag zwar Bücher mit gutem Ende, aber wenn es in sich stimmig ist, darf das Ende auch tragisch sein. Wichtig ist, dass es plausibel bleibt. Ich finde es beispielsweise richtig schlimm, wenn ein Typ seine Holde über 250 Seiten psychisch und emotional fertigmacht und am Ende auf den letzten zehn Seiten kommen sie nur dank einer einfachen Entschuldigung trotzdem zusammen. Das erschreckt mich auf so vielen Ebenen, dass ich das gar nicht richtig erklären kann, insbesondere weil es auch ein sehr schlechtes Bild auf die Figuren wirft.

  • Worauf legst du bei Büchern besonderen Wert? Mich interessiert hier neben deiner Antwort als Autorin auch die der Leserin in dir.
Zwei Punkte sind mir sehr wichtig. Erstens, ich möchte einen Roman schreiben und lesen, der eine Handlung hat. Nur Liebe wäre mir zu wenig, es muss genug Substanz drumherum sein, damit eine Beziehung auch Sinn macht. Zweitens hasse ich nichts mehr, als weibliche Püppchen. Vielleicht, weil ich selbst nicht so bin. Ich packe zu, wenn ich kann, ohne mich hinter einem Mann zu verstecken. Kirby war da beispielsweise eine echte Gratwanderung. Die Balance zwischen dem Mut, ihren Mann zu verlassen, und der Angst, die sie vor ihm hat, in Verbindung mit der Hilfe, die sie von Darren annimmt, ohne gleich hilflos zu wirken, hat mich einige gestrichene Szenen gekostet, weil ich nie ganz zufrieden war.

  • In der Leserunde bei LovelyBooks wurde ja der Wunsch nach einer Weiterführung von "Ain't all Silver" laut. In dem Setting steckt schließlich noch sehr viel Potenzial. Hast du schon Pläne für einen dritten Teil?
Das ist jetzt echt gemein. Ich weiß, dass es einige gibt, die sich Teil 3 sehnlichst wünschen, aber das hängt von vielerlei Faktoren ab. Ich hätte zwar Ideen, immerhin wäre da ja noch Nicci, und Caleb böte auch noch Möglichkeiten, ganz zu schweigen von Hank, Ulf und den Neuen, aber konkret geplant ist noch nichts.

  • Nun noch eine Frage, dann bist du erlöst ;)
    Welches ist dein liebstes Buch-Zitat?
Das ist gar nicht so einfach. Ich sammele keine Zitate, aber eines ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben. Es ist ein Gedicht aus "Bis ins Herz der Ewigkeit" von Alana Falk und lautet:

Lass mich deine Stimme hören,
Worte in der Dunkelheit.
Lass sie meinen Namen tragen
Bis ins Herz der Ewigkeit.


Ich bedanke mich herzlich für dieses Interview
und freue mich schon sehr auf neuen Lesestoff von dir!


*Anmerkung der Redaktion:
NaNoWriMo = National Novel Writing Month