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Thomas Thiemeyer / Interview Okt '12


Über den Roman "Das verbotene Eden. Logan und Gwen"
Das Interview führte Kathi Rubel

  • Lieber Thomas, nun haben wir Dich schon zum dritten Mal im Interview bei CulturalNoise. Das macht deutlich, wie sehr uns Deine Trilogie "Das verbotene Eden" beschäftigt - für uns eine Reihe für alle Altersgruppen. An welche "Zielgruppe" dachtest Du ursprünglich beim Schreiben?
Wenn ich schreibe, denke ich an keine Zielgruppe. Ich schreibe Bücher, die mich beschäftigen und die ich selbst gerne lesen würde und hoffe dann, dass der Verlag die geeigneten Käufer dafür findet. Mir ist natürlich schon klar, wo ich das Buch später vermutlich finden werde, aber diesen Umstand blende ich beim Schreiben völlig aus. Ich glaube, das ist die einzige Art, wie man authentisch bleiben kann. 
  • In diesem zweiten Teil der Trilogie legst Du besonderen Wert auf das "Anerziehen" bestimmter Verhaltensformen, dann nämlich, wenn nicht mehr die Realität über das Handeln entscheidet, sondern die Ideale einer Erziehung oder Gesellschaftsform. Eine allgegenwärtige Gefahr. Wie versuchst Du selbst, einen "klaren Blick" auf die Dinge zu behalten?
Indem ich mich bemühe, die Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist eine Kunst, die meiner Meinung nach ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Jeder sieht die Dinge nur aus seiner Perspektive. Deswegen bewegen wir uns so wenig aufeinander zu. Besonders im politischen Weltgeschehen.
  • Du wirfst auch folgende Frage auf: Was braucht ein Mensch, um glücklich zu sein? Was meinst Du?
Wenig! Familie, ein paar gute Freunde, Gesundheit, Liebe, Anerkennung und Geborgenheit. Eine sinnvolle, befriedigende Arbeit und gerade soviel Geld, dass man sich über die Zukunft keine Sorgen zu machen braucht. Ich denke, wenn jeder von uns sich darauf beschränken würde, ginge es uns sehr viel besser in der Welt. 
  • In einem Spruch heißt es sinngemäß: "Wer gut mit Tieren umgeht, kann kein schlechter Mensch sein". Ist deshalb Füchschen eine Schlüsselfigur im Roman, über die die Charaktere ein erstes Vertrauensverhältnis aufbauen?
Ganz sicher ist sie das. Wie wir mit anderen umgehen - besonders mit jemandem, der auf uns angewiesen ist, wie ein Tier - wirft ein bezeichnendes Licht auf unsere Persönlichkeit. Tiere sind immer ein Spiegel von uns selbst. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann Liebe geben und Tiere haben dafür besonders sensible Antennen.
  • Hast Du selbst Tiere?
Vier mongolische Wüstenrennmäuse. Eigentlich wollten meine Kinder sie haben, letztlich blieb die Pflege aber an mir hängen. Doch ich beklage mich nicht. Rennmäuse sind ziemlich klug und haben einen ausgeprägten Charakter. Es macht riesig Spaß mit ihnen zu spielen und sie zu beobachten.
  • Logan ist Angehöriger des Clans vom Steinernen Turm. Wenn Du Dich einem der Clans anschließen könntest, welchen würdest Du wählen und warum?
Interessante Frage. Darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht die Tiefenwalder, die robinhoodmäßig die Wälder durchstreifen. Oder die Kreuzgässler, die nur aufnehmen, wer unter zwanzig ist. Obwohl, für die bin ich längst zu alt. So gesehen ist der Steinerne Turm wohl die beste Adresse für mich. Außerdem ergeben die riesigen überwucherten Gebäude ein schönes Bild. 
  • Gwen betrachtet das Heilen als ihre Berufung. Wie ist es bei Dir; wie viel Anstrengung musst Du investieren, um einen Roman zu schreiben? Ist das Schreiben vielleicht Deine Berufung, die Dir leicht von der Hand geht?
Beruf, Berufung, Liebe, Leidenschaft, Fluch. Alles zusammen. Es gibt Tage, da liebe ich es und kann mir beim besten Willen nichts Schöneres vorstellen. Dann wieder denke ich: "Warum hast du nichts Richtiges gelernt?".
  • Um noch einmal auf die Handlung des Romans zurück zu kommen. War Gwen eigentlich jemals wirklich in Juna verliebt? Sie beschreibt ihre Gefühle für Logan ja als eine gänzlich neue Erfahrung.
Sie glaubte, in Juna verliebt zu sein, war es aber in Wirklichkeit nicht. Sie hat in einer Art Symbiose gelebt. In einer körperlichen, geistigen und gesellschaftlichen Abhängigkeit, die aber nicht verwechselt werden sollte mit Liebe. Für viele, die noch nie richtig verliebt waren, ist Liebe ein Konzept, mit dem sie nicht umgehen können und das sie nur theoretisch begreifen. So, als könnte ein Blinder plötzlich sehen und stünde vor einer sonnenüberfluteten Berglandschaft. In seiner Vorstellung hat die Welt schon Formen und Farben gehabt, nur unterscheiden sie sich halt beträchtlich von der Realität.
  • Und ist es bei den Männern generell unüblich, in Partnerschaften zu leben? Es gibt da einen Dialog zwischen Logan und seinem Vater, bei dem deutlich wird, dass der ältere Mann nicht weiß, von welchen Gefühlen sein Sohn spricht.
Es ist genauso üblich wie bei den Frauen. Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind das Normalste auf der Welt, nur, dass Viele sich dazu entschlossen haben, monogam zu leben. Und was die Liebe betrifft, so ist es wie mit allem anderen: manch einer findet sie, ein anderer nicht.
  • Dank der Namen der U-Bahn-Haltestellen wissen wir nun, in welcher Stadt die Geschichte spielt: Nämlich in Köln. Die sogenannte "Himmelskerze" ist dann der Kölner Fernsehturm?
Auch Colonius genannt, genau.
  • Und warum tust Du uns das eigentlich jedes Mal an? Wieder ein offenes Ende! Umso gespannter sind wir auf die Fortsetzung, den letzten Teil der Trilogie. Wie weit bist Du mit dem Schreiben?
Ich habe ungefähr zwei Drittel fertig. Dieser Roman ist in soweit etwas kniffliger, weil ich a) mit einer langen Rückblende (etwa ein Drittel des Romans) beginne und dann b) in den restlichen zwei Dritteln sämtliche Figuren auftreten und sämtliche Fäden zusammenführen muss. Es wird bei Weitem der Komplexeste der drei Bände.
  • Wann soll "Ben und Magda" erscheinen?
August/September 2013, denke ich.
  • Bei dieser Frage fällt mir auf, dass Du immer die Männer zuerst nennst. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Wenn ja, würden wir ihn natürlich gern erfahren.
Klar gibt es den und den habe ich mir nicht ausgedacht. Ist euch schon mal aufgefallen, dass bei allen klassischen Liebesgeschichten der Mann zuerst genannt wird? Romeo und Julia, Tristan und Isolde, Amor und Psyche. Keine Ahnung, wieso. Ich werde dieser Tradition aber einen Strich durch die Rechnung machen und nenne den dritten Band ganz bewusst "Magda und Ben".


Einen herzlichen Dank an Thomas Thiemeyer, der wieder einmal Rede und Antwort stand - hoffentlich nicht zum letzten Mal!